Peter Wettstein Entstehung Produkte
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Vom Seil zum Buch zu Shibaku
Ich muss zugeben, dass mein erster Kontakt mit Seil ein ziemlicher Stress war, da ich grosse Mühe hatte, mir die Abläufe zu merken. Es war unmöglich, dabei noch Spass zu haben oder eine erotische Stimmung aufkommen zu lassen. Zu viel neues Wissen kam an diesem ersten Workshop auf mich zu. Dabei war das nur ein Kennenlernen mit dem und durch das Seil.
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Bei der persönlichen Vorstellung sagte ein Teilnehmer, dass er diesen Workshop nun zum zweiten Mal besucht, da er zu Hause nicht mehr in der Lage war, eine einfache Seilverlängerung nachzubauen. Da vermutete ich, dass da ein grosses Paket an Wissen auf mich zukommt, über das es nur wenige Unterlagen gibt. Am Ende des Workshops habe ich dann mein erstes Buch gekauft. Leider war dieses Buch für mich nicht ansprechend oder inspirierend genug, weshalb ich mich nach weiteren Informationen umschaute und im Internet fündig wurde.
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Da ich mit den Tutorials in Form von Filmen, die im Netz verfügbar sind, nicht wirklich lernen konnte, habe ich mich entschlossen, meine eigenen Tutorials zu erstellen und die benötigten Abläufe und Anleitungen aufzuzeichnen. Auf einem Blatt Papier kann ich noch kurz vor einer geplanten Fesselung nachschauen. Ein Film-Tutorial zu suchen und dann an der gewünschten Position zu stoppen, um einen Seilablauf noch einmal anzusehen, ist mühsam und nicht wirklich sexy…
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Die Vielzahl der im Netz verfügbaren Anleitungen in Form von Bildern und Filmen waren für mich als Anfänger unübersichtlich und sehr verwirrend. Da gibt es neben klaren und informativen Anleitungen auch unzählige und zum Teil sehr schlechte oder falsche Tutorials. Viele Anleitungen sind so aufgebaut, dass der etwas kompliziertere Teil der Seilführung wenig sichtbar und kaum nachzubauen ist. Manchmal lag es an der ungeschickten Kameraführung oder an der Beleuchtung oder an den beteiligten Personen, die die eigentliche Seilführung verdeckten. Manchmal, so habe ich den Eindruck, war es auch blosse Absicht, damit das Wissen nicht wirklich weitergegeben werden kann. Einige Anleitungen waren in einer kopierten und etwas abgeänderten Form zum wiederholten Male publiziert, wodurch es für einen Anfänger nur noch unübersichtlicher wurde.
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Trotzdem habe ich am Anfang alles, was ich im Netz gefunden habe, gesammelt und archiviert. Das Resultat war eine grosse und unübersichtliche Ansammlung an Informationen, die analysiert, aussortiert und geordnet werden mussten. Das benötigte eine Unmenge an Zeit und Nerven… Bei jeder Information oder Anleitung musste ich entscheiden. Was ist Wichtig, richtig und für mich als Anwender brauchbar. Da war mir die angebotene Unterstützung von Dragonrope sehr hilfreich. Bis zum fertigen Buch wurden immer wieder Kapitel umgestellt, Abläufe ergänzt und Seilführungen korrigiert. Nach mehreren hundert Stunden war der erste Band Basis & Grundlagen so weit fertig, dass ich damit in die Öffentlichkeit gehen könnte. Aber wie soll ich das zusammengetragene Wissen publizieren?
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Auch wenn ich dieses Wissen in erster Linie für mich zusammengestellt habe, so ist es mir als Grafiker und Designer natürlich nicht genug, diese Anleitungen nur als gedruckte Blätter in einem Ordner zu lagern. Also habe ich nach einer passenden Buchbinder-Lösung gesucht und die Seiten im koptischen Buchbindeverfahren zu einem Buch gebunden. Nach dem Motto: Kannst du ein Buch binden, dann kannst du auch dein Model binden :) – Die Voraussetzungen sind bei beiden Tätigkeiten ähnlich.
Gut war mir noch nie genug. Denn gut sind viele. Also versuche ich, wann immer möglich, mehr zu geben, die Extrameile zu gehen und dem Kunden oder Betrachter etwas besonderes zu bieten. Der Anspruch nach Entwicklung und das Bedürfnis nach Perfektionismus steht mir natürlich oftmals im Wege und trotzdem bin ich der Meinung, dass es sich lohnt etwas mehr zu geben. Auch wenn es nicht jeder sieht oder für nötig hält, wird es mein Anspruch bleiben.
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Diesen Anspruch versuche ich auch bei Shibaku anzuwenden. Etwas (oder wenn möglich alles) anders zu machen, neues zu versuchen und unbekannte Wege zu gehen, ist mein grosses Ziel. So ist es selbstverständlich, dass ich keine Massenware im Angebot haben will und wenn möglich alles oder zumindest Teile davon in Handarbeit hergestellt werden. Klar macht es keinen Sinn, eine Alu-Dose in Handarbeit herzustellen, aber ein Ring sollte von Hand geschmiedet und ein Seil von Hand gedreht werden. Das die Produktion in der Schweiz oder zumindest in Europa und nicht in Asien stattfindet istein weiteres Ziel von mir. Ich bin der Meinung, dass für eine so intime Tätigkeit, wie das Fesseln und das erotische Spielen keine billigen, in Pakistan, China oder Indien hergestellte Produkte verwendet werden sollten. Zumal Pakistan und Peitschen für BDSM aus meiner Sicht nicht passt…
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Ein weiterer Anspruch ist der Umgang mit meinem Model. Auch da will ich andere, wenn möglich neue Wege gehen. So liegt es mir nicht, mein Model, das im Zentrum stehen soll, als Bunny oder als Rope-Bunny zu bezeichnen. Mit dem Begriff Rigger kann ich noch leben, die Bezeichnung Bunny geht für mich aber nicht. Das der Fessler nur das Model präsentieren und sich sonst im Hintergrund aufhalten sollte, ist selbstverständlich.
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Unter dem Begriff Bondage verstehe ich das Fixieren mit Manschetten aus Leder, Stahl, Textilien oder mit Folie und ähnlichem. Für das Fesseln mit Seil verwende ich den Begriff Bondage nicht. Stattdessen spreche ich von Binden oder auch vom Fesseln. Bei Shibaku geht es auch nicht nur um die Bewegungseinschränkung sondern um eine ansprechende und kunstvolle Seilführung. Was dann mit dem gefesselten Model gemacht wird, ob fotografiert, gespielt und geschlagen oder ein sexueller Akt vollzogen wird, ist den Teilnehmern selbst überlassen. Das beim Spiel mit dem gefesselten Model zusätzliche Vorsicht und Kontrolle nötig ist, sollte jedem klar sein.
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Wenn ich manchmal Fesselpaaren zusehe, wie der Fessler den japanische Stil kopiert und das Model die Augen verdreht, sobald ein Seil sichtbar wird, wirkt das auf mich ziemlich unnatürlich. Bei Shibaku lege ich grossen Wert auf Ehrlichkeit und Authentizität. Es sollen sich beide so bewegen und sich gehen lassen können, wie es ihrem Naturell entspricht. Das kann auch eine Art Trance sein – Aber bitte echt nicht übertrieben gespielt. Shibaku steht nicht für diesen engen, nach klaren Richtlinien festgelegten Fesselstil wie er in verschiedenen Dojos gelehrt wird. Shibaku bietet verschiedene Wege eine Fesselung zu binden und dabei Spass zu haben.